Das Coronavirus: ein Kampf der Natur gegen den Menschen?

Seit Ausbruch der Corona-Krise ist immer wieder zu hören, dass diese virale Erkrankung eine Reaktion der Natur auf den Kampf des Menschen gegen die Natur sei. Im Sinne von: die Natur schlägt zurück oder die Natur rächt sich am Menschen. Angesichts der klimatischen Veränderungen, die der Mensch in den letzten 100 Jahren durch Verwendung fossiler Brennstoffe ausgelöst hat, scheint diese Erklärung die Dringlichkeit eines anderen Umgangs mit der Natur zu stützen.

Dennoch halte ich diese Sichtweise für problematisch. Hinter der Vorstellung, dass die Natur sich nun am Menschen rächt, steht eine anthropozentrische Vorstellung: Nämlich die, dass sich die Natur in irgendeiner Art und Weise mit uns Menschen auseinandersetzen würde. Verhält sich der Mensch schlecht, schlägt das „Imperium“, in diesem Fall die Natur, zurück.

Wenn wir jedoch die Geschichte dieses Planeten betrachten, zeigt sich, dass die Natur (und wenn ich von Natur spreche, meine ich die gesamte Außenwelt) kein besonderes Verhältnis zu uns Menschen „pflegt“. Wir sind als ein Teil des evolutionären Prozesses ein Aspekt der Vielfalt von Natur, genau wie Viren oder Tiere. Als hochentwickelte Spezies sind wir jedoch besonders anfällig für Erkrankungen, ähnlich wie andere hochentwickelte Tierarten. Aber nur wenn es uns trifft, denken wir, dass sich die Natur gegen uns wehrt. Wenn Millionen Schweine durch die Schweinepest sterben, die ebenfalls eine virale Erkrankung ist, kommen wir auch nicht auf die Idee, von einem Kampf der Natur gegen die Tiere zu sprechen.

Aber es sind nicht nur Viren, die das Leben bedrohen: Vulkanausbrüche, Erdbeben, Tsunamis etc. sind alles Naturprozesse (die – ganz nebenbei bemerkt –  erst in dem Moment zu Naturkatastrophen werden, wenn sie den Menschen treffen) und die es bereits gab als noch keine Menschen diesen Planeten bewohnten. Bei jedem dieser Naturereignisse kamen aber andere Lebewesen ums Leben.

Ich halte diese Sichtweise aber noch aus einem weiteren Grund für problematisch. Zum einen könnten wir gegen eine Strafaktion oder eine Vergeltungsmaßnahme relativ wenig tun. Wir werden zu Opfern, die ihre Erkrankungen als Strafe verdient haben. Gegen eine virale Erkrankung hingegen können wir etwas tun, indem wir eine Zeit lang unser Verhalten ändern, selbst wenn wir persönlich das Gefühl haben, im Falle einer Erkrankung glimpflich davonzukommen, weil wir jung sind und keine Vorerkrankungen haben. Es ist eine gute Einübungsmöglichkeit in die Haltung der Solidarität, ohne die eine Gesellschaft zerbricht.

Zum anderen verhindert das Narrativ von der Rache der Natur am Umgang des Menschen mit ihr, dass wir uns ernsthaft mit der Entstehung und Ausbreitung solcher Viren beschäftigen, die uns in Zukunft vermutlich noch öfter beschäftigen werden, da wir bei einer wachsenden globalen Bevölkerung und der mit der Globalisierung verbundenen Mobilität wesentlich leichter und schneller Pandemien auslösen können.